Johanna Elberskirchen

elberskirchen portrait

Johanna Elberskirchen
(11.04.1864 – 17.05.1943)


„Individualistin war ich stets aus Instinkt und werde es wohl auch bleiben. Deshalb gehöre ich zu den »geborenen« Frauenrechtlerinnen und Freiheitskämpferinnen.“ (1.)

Johanna Elberskirchen war eine Frau, die nie einen Hehl daraus machte, wer sie war, wen sie liebte und wofür sie stand. Viele Frauen liebende Frauen zogen es auch um die Jahrhundertwende vor über ihr Privatleben zu schweigen und ihre politischen Aktivitäten auf die klassischen Frauenbewegungsthemen zu beschränken. Nicht so Johanna Elberskirchen - stets sehr „individuell“, selbstbewusst und offen lesbisch.

In ihrem ersten Buch über Homosexualität „Die Liebe des dritten Geschlechts. Homosexualität, eine bisexuelle Varietät – keine Entartung, keine Schuld“ (1904) nahm sie gemeinsam mit ihrer damaligen Lebenspartnerin Anna Maria Eysoldt (1868-1913) den Kampf gegen das Schweigen über die Liebe zwischen Frauen auf. Damit brach sie ein Tabu in der Frauenbewegung um 1900. Ein von ihr betonter, zentraler Standpunkt war die Abwendung von pathologisierenden und emanzipatorischen Ansätzen der Sexualwissenschaft. Jene wurden u.a. durch Magnus Hirschfeld vertreten, der lesbischen Frauen männliche Attitüden zuschrieb.

Johanna Elberskirchen wurde am 11. April 1864 in Bonn geboren. Ihr Vater war Kaufmann, die Mutter führte den Haushalt. Johanna war das Älteste der insgesamt 5 Kinder, wurde Buchhalterin und begann im Alter von 27 Jahren in der Schweiz ihre akademische Laufbahn, zu der sie sich wie folgt äußerte:
„Ich studierte fünf Semester Naturwissenschaften, Anatomie, Physiologie und Philosophie an der Universität Bern und pflege jetzt an der Universität Zürich den hohen Gelehrsamkeiten »Rechtswissenschaft und Volkswissenschaft«, um der Frauenwelt später mit einem wohl diplomierten Doctor juris mehr dienen zu können.“ (1)

Blieben Studienabschlüsse und eine beabsichtigte Promotion ihr aus verschiedenen Gründen versagt, nutzte sie dennoch all ihr Wissen, um auf Ungerechtigkeit und Unwahrheit aufmerksam zu machen.
Sich zu verstecken oder zurückhalten war nicht ihre Art. Schon als 23-Jährige schrieb sie erste radikale feministische Texte. Vor der Jahrhundertwende begann sie, anfänglich unter dem männlichen Pseudonym Hans Carolan, zu publizieren. Zu den egalitärfeministischen Texten kamen zunehmend biologische Themen hinzu, die sie aber weiterhin sozial und kulturell miteinander zu verknüpfen wusste. Großer Kritikpunkt aus heutiger Perspektive, bei allem Mut sich gegen wissenschaftliche Autoritäten zu wehren, ist ihr selbstverständliches und unkritisches Schwimmen im eugenischen Zeitgeist: der Entartungs- und Degenerationsideen, die nach einer gezielten Höherentwicklung des Menschen strebten. Diese Ideen lehnte sie nicht grundsätzlich ab, wollte sie lediglich die Homosexualität aus dem Katalog der Entartungserscheinungen gestrichen wissen. In ihren sexualreformerischen Texten finden sich keine radikal rassistischen Positionen, dennoch zeigt ihre am Individuum ansetzende eugenische Haltung ihre politische Widersprüchlichkeit.

In Kontakt mit der Sozialdemokratie kam Johanna Elberskirchen spätestens während ihrer Studienzeit. Sie engagierte sich für Frauenrechte und den Schutz der Arbeiterinnen. Ihre Arbeit in der Ortsgruppe des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht seit 1910 war den SPD Mitgliedern offenbar ein Dorn im Auge und so wurde sie 1913 aus der SPD ausgeschlossen. Ein bitteres Urteil für die aufrechte Streiterin, der ein demokratisches Wahlrecht sehr am Herzen lag. So verließ Elberskirchen, nachdem ihre Lebenspartnerin Anna Aeby Esoldt am 19. März 1913 nach langer Krankheit verstorben war, das Rheinland und zog nach Berlin.

1914 wählte das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK) in Berlin Johanna Elberskirchen als eine der wenigen Frauen in das Amt eines ‚Obmannes‘. Auch mit dem 1919 gegründeten Institut für Sexualwissenschaft in Berlin war sie eng verbunden. Dennoch blieben Frauen in beiden Institutionen Exotinnen und wurden eher in die Rollen von „Quotenfrauen“ gedrängt, als dass sie wirklich wissenschaftlich in die Arbeit integriert wurden. In den 20er-Jahren referierte Johanna Elberskirchen für die Weltliga für Sexualreform in Kopenhagen und London, zuletzt in Wien 1930.

Im Jahr 1914 war Johanna Elberskirchen zudem als Naturärztin in Finkenwalde im Sanatorium Bismarckhöhe tätig. Dort lernte sie Hildegard Moniac (1891-1967), vorerst ihre Patientin, kennen und lieben. Gemeinsam gingen sie nach Berlin, wo Johanna Elberskirchen von 1915 bis 1919 in der Berliner Säuglingsfürsorge, und Moniac als Gewerbeoberlehrerin arbeitete. 1920 kauften sie sich ein Haus in Rüdersdorf, einer kleinen im Südosten Berlins gelegenen Gemeinde.

Hier eröffnete Johanna Elberskirchen eine Praxis für homöopathische Heilbehandlungen, die sie bis zu ihrem Tod führte. Auch politisch fasste sie während der Weimarer Republik schnell wieder Fuß und engagierte sich in der Rüdersdorfer SPD.

Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 schränkte sich das politische wie auch das berufliche Leben des Paares sehr ein. Von Berufs- und Schreibverbot betroffen lebten sie nun zurückgezogen in ärmlichen Verhältnissen. Johanna Elberskirchen erkrankte und wurde körperlich immer schwächer, schließlich verstarb sie am 17. Mai 1943 mit 79 Jahren. Die Urne mit ihrer Asche wurde erst 30 Jahre nach ihrem Tod, 1975, von zwei Frauen gefunden und heimlich in der Grabstätte ihrer Partnerin Hildegard Moniac beigesetzt.

Heute erinnern Gedenktafeln an ihrem Geburtshaus in Bonn, ihrem letzten Wohnhaus in Rüdersdorf und der Grabstätte in Rüdersdorf an die aufrechte Feministin Johanna Elberskirchen.



Quellen:
http://www.zeno.org/Pataky-1898/B/Carolan,+Hans

Prof. Dr. Christiane Leidinger (2020): Johanna Elberskirchen, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv, Zuletzt besucht am: 20.04.2022, https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/johanna-elberskirchen
https://lesbengeschichte.net/erinnern_feiern_bonn_leid_d.html (2006), Zuletzt besucht am: 20.04.2022
https://frauenmediaturm.de/historische-frauenbewegung/johanna-elberskirchen-1864-1943/, Zuletzt besucht am: 20.04.2022

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