Der § 175 im Nationalsozialismus

Das "Dritte Reich" von 1933 bis 1945 und die Verschärfung des § 175
Statt, wie 1929 in der Weimarer Republik, die einfache Sexualität unter Männern legalisieren zu wollen, hatten die Nationalsozialisten nichts besseres zu tun, als dieses menschenunwürdige Gesetz aus der Kaiserzeit noch zu verschärfen. Ab 01. September 1935 galt in Deutschland ein neuer § 175. So war nicht nur die beischlafähnliche Handung (Oral- und Analverkehr) strafbar, sondern jegliche homosexuelle Handlung. Das reichte von Berührungen, Küssen bis zu gegenseitiger Onanie. Mit dem neu eingeführten § 175a konnte man bei der Verführung Minderjähriger (unter 21 Jahre), Nötigung, Prostitution oder sonstiger Abhängigkeitsverhältnisse härter bestraft werden. Die Veränderung dieses Gesetzes hatte zur Folge, dass die nach § 175 Angeklagtengegenüber einer voreingenommenen Justiz immer schlechtere Chancen auf ein faires Verfahren hatten. So waren 1936 die Einstellungen von Verfahren wegen § 175 zurückgegangen. Auch die meisten Gnadengesuche und Hafterleichterungen für Gefangene, die nach § 175 verurteilt worden sind, wurden abgelehnt.

Ab 1940 gab es die Kriegstäterverordnung. Die Kriegstäter waren Personen, die zu Zuchthaus verurteilt wurden und ihre bürgerlichen Ehrenrechte oder ihre Wehrwürdigkeit verloren haben. Die Kriegstäter wurden in, direkt von der Justiz unterstellten, Strafgefangenenlagern zu Zwangsarbeit verpflichtet. Da die Zwangsarbeit hauptsächlich aus körperlich schwerer Arbeit bei gleichzeitig schlechter Ernährung bestand, wurden hauptsächlich gesunde, junge Männer zwischen 21 und 50 Jahren genommen. Bekannte Lager dieser Art waren die Moorlager des Emslandes oder das Lager bei Griebol (Coswig/Anhalt) für die Elbregulierung. Viele Kriegstäter waren nach § 175 verurteilt worden.

Aber auch wenn die Gefangenen entlassen wurden, waren sie weiteren Repressionen ausgesetzt. So hatten sie eine Menge polizeiliche Auflagen zu erfüllen, zum Beispiel durften sie den Wohnort nur nach polizeilicher Genehmigung verlassen. Durch die lückenlose Überwachung von Homosexuellen von der geheimen Staatspolizei (Gestapo) und Reichskriminalpolizei, die ab 1936 eine eigene "Reichszentrale für die Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung" errichtete, waren diese in der Lage Homosexuelle in "Vorbeugehaft" zu nehmen. Das bedeutete nichts anderes, als die Einweisung in ein Konzentrationslager. Durch Erlass vom Juli 1940 konnten Schwule, ie aus der Haft entlassen wurden, direkt in ein Konzentrationslager verschleppt werden. In der Hierarchie der Strafgefangenen waren sie auf der untersten Stufe. So waren sie nicht nur der Willkür der SS ausgesetzt, sondern oft auch der anderer Mitgefangener. Die Häftlinge, die wegen Homosexualität in ein Konzentrationslager eingeliefert wurden, wurden mit einem rosa Winkel gekennzeichnet.

 


Autor
Stephan Czibulinski
Geschichtswerkstatt queeres Brandenburg
2014


Quellen

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