Queere Erinnerungskultur während der Zeit des Nationalsozialismus
Bildnachweis: Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Foto: Lars Wendt
Veranstaltungsreihe "Homosexuelle - Queere Erinnerungskultur während der Zeit des Nationalsozialismus (NS)"
"Es ist an der Zeit, dass gründliche Kenntnis und Forschung über die Verfolgtengruppe queerer NS-Opfer, ein selbstverständlicher Teil der Erinnerungskulturen wird."
Prof. em. Dr. Marcia Kula**
News:
Eine bemerkenswerte, wichtige Nachricht, die neben der Beflaggung mit Regenbogenfahnen zum CSD in Berlin am 21. Juli 2022 vom Präsidium des Deutschen Bundestages "einstimmig" entschieden wurde, ist diese: Der Deutsche Bundestag plant, am 27. Januar 2023 in der jährlichen Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus an diejenigen zu erinnern, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität im NS-Staat verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden.
Die Entscheidung des Deutschen Bundestages ist durch die vielen Regenbogenfahnen etwas im Hintergrund gefallen und wird vermutlich erst später wieder aufgegriffen.
Das Land Brandenburg verfügt über mehrere Orte "Queerer Erinnerungskultur", so der Gedenkort Klinkerwerk Oranienburg, die Gedenkstätte Sachsenhausen und die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, und andere Gedenkorte. Das ist natürlich von Bedeutung für Brandenburg, Berlin, den Bund und für Europa.
Aus der Entscheidung des Bundestagspräsidiums erwachsen Forderungen, auch in den Bundesländern, wie in z.B. in Brandenburg die Unterstützung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der queeren Initiativen, Verbände und Vereine im Hinblick auf mehr Aufklärung, Bildung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit und die Sichtbarmachung von Queerer Erinnerungskultur.
Vergleiche ein Zitat aus der PM des LSVD Bundesverbands vom 21.07.2022: "Ein Gedenken an homosexuelle NS-Opfer ist auch deshalb bedeutsam, weil der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere an den Gedenkorten auch im Land Brandenburg, als Konsequenz aus den Verbrechen des NS-Staates eine besondere Verantwortung zukommt, wenn Menschenrechte in Deutschland und weltweit bedroht sind. Innenpolitisch heißt dies, allen Formen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten entschlossen entgegenzutreten."
Menschenrechte und Diskriminierung von Menschen mit sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten unserer Vorgänger- bzw. Vorfahren-Generationen aus der NS Zeit. Gerade in der Zeit in der ehemaligen DDR, in der Zeit der deutschen Einheit bzw. nach der Wiedervereinigung, und in der heutigen Zeit, in Deutschland, jedoch auch international in Europa und weltweit, erleben heute viele
„Queere Menschen wiederum eine andere Gefahrens- und Lebenssituationen. Auch dies ist zu berücksichtigen.
Zum Hintergrund:
https://www.lsvd.de/de/ct/7363-Endlich
in der Anlage zur PM des LSVD findet Ihr auch Informationen zum Interview u.a. Informationen zur Geschichte der Petition u.a.
Pressemitteilung des LSVD vom 21.07.2022
„Die Ermordeten sollen nicht noch um das Einzige betrogen werden, was unsere Ohnmacht ihnen schenken kann – das Gedächtnis.“ Dieser Mahnung von Theodor W. Adorno kommt der Deutsche Bundestag im Jahr 2023 endlich mit Blick auf die NS-Opfer nach, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden. Hierzu erklärt Henny Engels, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Der Deutsche Bundestag plant, am 27. Januar 2023 in der jährlichen Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus an diejenigen zu erinnern, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung im NS-Staat verfolgt, inhaftiert und ermordet wurden. Jahrelang wurde dies von vielen Gruppen, Verbänden und Einzelpersonen gefordert. Hervorzuheben ist hier insbesondere eine von Historiker*innen, Vertreter*innen unterschiedlicher Opfergruppen und Vertreter*innen diverser gesellschaftlicher Gruppen unterstützte Petition von 2018.
Bei der ersten Gedenkstunde 1996 nannte der damalige Bundespräsident Roman Herzog auch Homosexuelle als Opfergruppe nationalsozialistischer Verfolgung.
Eigens gedacht hat der Bundestag dieser Opfer bisher nicht.
Umso mehr begrüßen wir, dass das amtierende Bundestagspräsidium beschlossen hat, im kommenden Jahr diese Opfergruppe ins kollektive Gedächtnis zu rufen.
Um aus allen ihren Facetten Lehren zu ziehen, muss Geschichte umfassend lebendig gehalten werden.
Denn nach dem Ende des Nationalsozialismus gingen Ausgrenzung und Leiden für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Deutschland leider immer noch weiter.
Schwule und bisexuelle Männer wurden in beiden deutschen Staaten noch jahrelang strafrechtlich verfolgt.
Erst 1994 wurde der § 175 StGB endgültig abgeschafft. Jahrelang und oft erfolglos kämpften viele der nach § 175 Verurteilten um eine Rehabilitierung und Entschädigung. Lesbischen Frauen konnte bis in die 1980er Jahre das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden, weil Familiengerichte eine Kindeswohlgefährdung unterstellten. Und selbst heute steht die Anerkennung eines umfassenden
Selbstbestimmungsrechts für trans- und intergeschlechtliche Personen aus.
Ein Gedenken an homosexuelle NS-Opfer ist auch deshalb bedeutsam, weil der Bundesrepublik Deutschland als Konsequenz aus den Verbrechen des NS-Staates eine besondere Verantwortung zukommt, wenn Menschenrechte in Deutschland und weltweit bedroht sind. Innenpolitisch heißt dies, allen Formen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten entschlossen entgegenzutreten.
Dieser Verpflichtung könnte Deutschland in hervorragender Weise gerecht werden, indem der Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes in Artikel 3 zeitnah um den Schutz sexueller und geschlechtlicher Minderheiten ergänzt wird.
Auch im Jahr 2022 wird Homosexualität in rund 70 Staaten noch strafrechtlich verfolgt; in 40 Ländern sind ausdrücklich auch lesbische Frauen betroffen. In zwölf Ländern droht Homo- und Bisexuellen die Todesstrafe. Deshalb ist die Bundesrepublik auch in ihrem außenpolitischen Handeln gefordert.
Die Debatten um das "Wie" um ein "Queeres Erinnern" der heutigen Generationen von LSBTTIQ* sowie der Zivilgesellschaft und der Politik muss mehr geführt werden. Die mit diesem Projekt verbundenen Online- und Präsenzveranstaltungen verstehen sich als eine Sensibilisierung für breitere Aktivitäten im gesellschaftlichen Diskurs von Weiterbildungsarbeit in den Ländern Brandenburg, Berlin und in Deutschland. Esther Bejarano, die kürzlich verstorbene Musikerin, Zeitzeugin und Ehrenpräsidentin des Auschwitz-Komitees Deutschland hat es in einem Geleitwort kürzlich so beschrieben:
"Nach der Befreiung 1945 riefen wir Überlebenden alle "Nie wieder! Für unsere Mitgefangenen mit dem Rosa Winkel galt das aber nicht: Sie wurden in den meisten Ländern, auch in Deutschland, weiter verfolgt. In Deutschland ist das zwar endlich vorbei. Aber ein aufrichtiges und umfassendes Erinnern an die homosexuellen Frauen und Männer, die damals litten und starben, fehlt noch immer und ist dringend nötig-sowohl im deutschen Bundestag am Holocaust-Gedenktag- als auch in der Gedenkstätte Auschwitz."
In Brandenburg existieren authentische Erinnerungs- und Gedenkorte, die im Kontext zu Homosexuellen und queeren Menschen lange nicht so öffentlich bekannt sind.
Es ist Forschung vorhanden, allerdings noch unzureichend und nahezu wenig bekannt, z.B. existiert eine differenzierte Forschung zu den homosexuellen Zwangsarbeitern im Gedenkort Klinkerwerk Oranienburg und wenige Fachleute haben eine Kenntnis darüber.
Die Gedenkstätten arbeiten vorrangig an den heteronormativen Opfergruppen und an den internationalen Narrativen und Kontexten. Das ist auch verständlich, denn auch bei diesen Erzählungen besteht weiterhin Informationsbedarf.
Die konsequente Weiterentwicklung des Gedenkortes Klinkerwerk Oranienburg ist erforderlich. Dazu ist ein breiter, öffentlicher Diskurs über unbekannte oder wenig bekannte Brüche in der NS Geschichte noch auf - und auszubauen. Das Projekt möchte einen Beitrag zur Sichtbarkeit leisten, nicht mehr, jedoch auch nicht weniger.
Übersicht und Fortsetzung der Veranstaltungsreihe "Queere Erinnerungskultur während der NS Zeit, 2022"
03.09.2022, 19:30 Uhr
Karl-Marx-Straße 182, Frankfurt/Oder
An jene, die wegen anderer sexueller Orientierung und einer anderen geschlechtlichen Identität, verfolgt, verhaftet, gequält und ermordet wurden.
Veranstaltungen und Vorführungen in 2023